Über Musik und das Musikhören

Über die Wirkung und Bedeutung von Musik ist viel geschrieben und gesagt worden. Mir persönlich gefällt u.a. die „bescheidene Liebeserklärung“ („Die Ausicht vom 13. Stock“, Klett-Cotta, 1998) des von mir sehr geschätzten Erwin Chargaff (1905 – 2002). Zwei Zitate daraus:

„die Musik hat vor allen anderen Künsten den Vorzug, daß man sich schämt, wenn man über sie schwätzt. Denn Musik ist die Sprache, die alle menschlichen Sprachen in Ihre Grenzen weist.“

und

„Musik kann ein großer Trost sein im Elend, vielleicht der einzige Trost für die ungezählten Millionen, die nicht mehr wissen, was ihre Muttersprache war. Sie ist das einzige Erzeugnis des höchsten menschlichen Geistes, das man nicht umzutauschen braucht in der reißenden Zugluft des Lebens. Nur muß man gelernt haben, die Ohren ebenso oft zu- wie aufzumachen.“

Natürlich empfindet jede Person Musik anders und misst ihr auch unterschiedliche Wichtigkeit bei. Manche mögen nur eine bestimmte Art von Musik, andere hören „alles“, manche hören mit dem „Kopf“ und wiederum andere mit dem „Bauch“ oder „Herzen“. Ja, schwer zu glauben, es gibt auch Menschen, denen Musik wenig oder gar nichts bedeutet.

Ich gehe zwar nicht soweit wie Herr Chargaff, der Musik etwas Übermenschliches beizumessen, das alle anderen menschlichen Sprachen überragt, aber ich glaube gut nachvollziehen zu können, was er meint. Die passende Musik zur passenden Zeit hat auch bei mir eine ungeheuer direkte, kaum beschreibbare, also fast schon mystische Wirkung. Vollkommen übereinstimme ich aber mit ihm, wenn er betont, wie wichtig es ist, die Ohren bei der richtigen Gelegenheit auf-, aber eben auch zuzumachen. Die mittlerweile fast allgegenwärtige Dauerberieselung im öffentlichen Raum und in der Werbung, degradiert oft jegliche Musik zu belanglosem Beiwerk. Da heißt es auf Durchzug schalten, wenn möglich und nötig. Auf der anderen Seite, wenn man Musik wirklich intensiv hören möchte, sollte man sich auch vollkommen darauf konzentrieren. Weil es die Musik verdient.

Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, etwas nebenbei zu machen, wenn ich der Musik lausche. Wer geht schon mit einem Buch ins Konzert? Für mich ist die Bereitschaft sich Zeit für die Musik zu nehmen, die Grundvoraussetzung, die eine größere Investition in HiFi-Technik in sinnvollem Licht erscheinen lässt. Was nützt eine teure Anlage, wenn Ihr keiner wirklich zuhört? Gut, sie sieht vielleicht eindrucksvoll aus und beeindruckt Gäste, aber Ihren eigentlichen Zweck kann sie nicht erfüllen. Auf der anderen Seite kann auch eine Anlage für „kleines Geld“ ihrem Besitzer oder ihrer Besitzerin große Freude bereiten, wenn sie die entsprechende Aufmerksamkeit erfährt. Im Idealfall trifft eine vorzüglich klingende Anlage auf offene Ohren. Dann kann die Technik dem Hörer und der Hörerin ein wirklich nachhaltiges Musikerlebnis ermöglichen.