Monumental-HiFi

Schallplattenspieler sind für mich mehr oder weniger reine Gebrauchsgegenstände. Ich verwende sie um Schallplatten abzuspielen, nicht für mehr, nicht für weniger. Das müssen sie unkompliziert, zuverlässig und wohlklingend tun. Selbstverständlich sollten sie qualitativ gut gemacht und langlebig sein und dürfen dabei auch ruhig hübsch und gut aussehen. Aber fast jedesmal, wenn ich in den letzten Jahren auf die Idee gekommen bin, die „Fachpresse“ durchzublättern, beschlich mich das Gefühl, dass diese Geräte weit mehr können müssen als nur Schallplatten wiederzugeben. Sie müssen mindestens auch noch optischer Blickfang, stylisher Einrichtungsgegenstand und analoger HiFi-Altar sein. Ein HiFi-Monument für die heimischen vier Wände. Dass es solche Kreationen gibt, ist auch vollkommen in Ordnung. Selbstredend sind die Preisschilder dieser Konstruktionen meist ähnlich monumental. Geräte im bis zu sechsstelligen Euro- und dreistelligen Kilobereich gibt es da zu bewundern. Da staunt der Fachmann und der Laie schlackert mit den Ohren. Bleibt für mich die Frage: Braucht es das wirklich?

Ich kann es den Herstellerfirmen jedenfalls nicht verdenken, dass sie solche Gerätschaften bauen und anbieten, wenn es für solche Produkte eine Nachfrage gibt. Und jede und jeder soll auch das kaufen können, was sie und er begehrt und sich leisten kann und mag. Eine gewisse Faszination üben solche Kreationen auf viele Menschen bestimmt auch aus. Außerdem möchten die Besitzer solcher Geräte sich möglicherweise einer gewissen Exklusivität sicher sein. So gesehen, kann man die obige Frage zumindest nicht verneinen.

Anders sieht es meiner Meinung nach aus, wenn man die Frage eingrenzender formuliert: Braucht es das aus klanglichen Gründen? Ich finde, dass es das nicht braucht. Wirklich erstklassig klingende Geräte, die zumindest für meine Ohren keine Wünsche mehr offen lassen, müssen nicht soviel kosten wie ein Automobil der Mittel- ,Ober- oder gar Luxusklasse. Ich habe da eher einen Preisbereich vor Augen, für den es ein ordentliches Fahrrad gibt, um beim Vergleich mit Fortbewegungsmitteln zu bleiben. Und anscheinend gibt es auch Fachleute aus dem Studiobereich, die das ähnlich sehen.

In der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Mint – Magazin für Vinyl-Kultur“ (Januar 2016) ist ein Interview mit einem seit Jahrzehnten tätigen Tontechniker zu lesen, den die Zeitschrift als einen der „profiliertesten Vinyl-Experten der Welt“ bezeichnet. Auf die Frage, worauf ein Musik-Liebhaber achten muss, damit er oder sie die Vorzüge des Mediums Vinyl erfahren kann, antwortet er, dass aus seiner Sicht niemand mehr als 3000 – 4000 Euro für ein echtes HiFi-Hörerlebnis ausgeben muss. Alles, was darüber hinaus geht, sei seiner Meinung nach Esoterik. Das sagt ein Mann, der seit Langem vermutlich fast jeden Tag mit Musikproduktion „an vorderster Front“ zu tun hat. Bestimmt gibt es auch einige Kollegen und Kolleginnen in vergleichbarer Position, die dem so nicht zustimmen würden. Auch kann man sicherlich über die Höhe des genannten Betrages diskutieren und auch darüber, ob alles was mehr kostet, der Esoterik zuzurechnen ist. Denn neben klanglichen Aspekten spielen für die meisten Menschen im Bereich HiFi optische und haptische Eindrücke eine (fast) ebenso wichtige Rolle (oder sogar die wichtigere). Ist auch nicht schlimm, dass dem so ist, denn eine rein „vernünftige“ Welt, wäre vermutlich auch eine sehr dröge. Aber ich persönlich stimme dem befragten Tontechniker voll und ganz zu, dass es keine Unsummen braucht, um einfach „nur“ richtig gut Musik hören zu können. Besser (oder zumindest anders) geht natürlich immer. Ebenso teurer. Beides kann korrelieren. Muss aber es nicht zwangsläufig.